Zur Sprachlust gehört für mich auch, Menschen zu Gesprächen zusammenzubringen. Das habe ich von 2004 bis 2019 im Tagesspiegel-Salon getan, aber auch in vielen anderen Formaten. Bis zur Pandemie beschäftigte mich vor allem das Projekt mit Exiljournalisten #jetztschreibenwir und die daraus entstandene Veranstaltungsreihe "Diwan", in früheren Jahren waren es der Tagesspiegel-Erzählwettbewerb, die Tagesspiegel-Akademie, Zeitungsprojekte mit Schulen oder der Debattierclub.
Zeitung im Salon - so hieß die Veranstaltungsreihe, die ich von 2004 bis 2019 für den Tagesspiegel organisiert habe. Der Grundgedanke: Tagesspiegel-Autoren stellen ihre Bücher vor, bringen ihre Texte im wahrsten Sinne des Wortes unter die Leute, dazu gibt es Live-Piano und ein eßkultur-Essen, das zum Buche passt. Einen Überblick über aktuelle und vergangene Salons finden Sie hier.
Zum Glück habe ich so viele schreiblustige Kolleginnen und Kollegen, dass wir 15 Jahre lang einmal im Monat einen Salon veranstalten konnten. Stellvertretend hier nur einige Namen, die mehrfach vertreten waren: Hatice Akyün, Elisabeth Binder, Pascale Hugues, Susanne Kippenberger, Thomas Lackmann, Giovanni di Lorenzo, Harald Martenstein, Thomas de Padova, Wolfgang Prosinger, Rüdiger Schaper, Claus-Dieter Steyer, Klaus Stuttmann, Harald Schumann.
Bis 2009 fand der Salon an wechselnden Orten statt, passend zu den jeweiligen Büchern unter anderem im Strandbad Wannsee, im Prinzenbad, im Löwenpalais oder der Hörsaalruine der Charité. Seit dem Umzug des Tagesspiegels an den Anhalter Bahnhof hieß der Veranstaltungsort, genau wie die von mir damals betreute Seite in der Zeitung, einmal im Monat: Askanischer Platz.
Ein Salon der anderen Art: Seit Herbst 2016 organisiere ich in Zusammenarbeit mit Andrea Nüsse vom Internationalen Journalisten- und Mediendialogprogramm der Friedrich-Naumann-Stiftung die Reihe "Diwan". Sie ist aus dem Projekt #jetztschreibenwir mit Exiljournalisten hervorgegangen, diskutiert werden Themen rund um Flucht, Integration, Migration und es gibt Simultanübersetzung ins Arabische, natürlich auch passendes Essen und Live-Musik. Einer unserer Gäste war der syrische Youtuber und Buchautor Firas Alshater (Foto). Video, Bildergalerie und Berichte finden Sie hier.
Geflüchtete Journalisten schreiben im Tagesspiegel: Ich hatte die Freude, im Oktober 2016 die Sonderausgabe #jetztschreibenwir mit Texten und Fotos von Exiljournalisten aus Syrien, Afghanistan, Iran und Aserbaidschan zu koordinieren. Die Ausgabe wurde mit dem European Newspaper Award ausgezeichnet, das Projekt in Zusammenarbeit mit der Friedrich-Naumann-Stiftung und der Robert Bosch Stiftung wurde mit bisher drei Beilagen ("Wir wählen die Freiheit" im September 2017, "Heimaten" im Juni 2018, "Wir in Europa" im Juni 2019) fortgesetzt: Alles dazu finden Sie hier.
Besonders glücklich machen mich Veranstaltungen, in denen Wort und Musik zusammen kommen. In den letzten Jahren habe ich, zumeist in der schönen Rotunde des Tagesspiegel-Hauses, eine Reihe von Konzerten organisiert und teilweise moderiert: mit Sängerinnen und Sängern wie Fionnuala McCarthy, Stephanie Weiss, Thomas Michael Allen, Sally Wilson und Peter Schöne, Pianisten wie Johannes Kersthold, Matthias Klünder, Scott Curry, und Kabarettistinnen wie Gerlinde Kempendorff und Kim Eustice oder der Chanson-Sängerin Evelin Förster. Hier eine Auswahl der Programme:
"Claude Debussy - Zum 150. Geburtstag" (mit Fionnuala McCarthy, Scott Curry)
"Hommage an den Flügel - Von Beethoven bis John Coltrane" (Scott Curry, Kim Eustice, Matthias Klünder)
"Zum 100. Geburtstag von Bejamin Britten" (Thomas Michael Allen, Scott Curry)
"Von Clara Schumann bis Peggy Glanville-Hicks: Komponistinnen aus 200 Jahren" (Fionnuala McCarthy, Scott Curry)
"Biographie eines Superstars: Zum 200. Geburtstag von Franz Liszt" (mit Autor Oliver Hilmes, Stephanie Weiss, Scott Curry)
"Novecento und die anderen: Legenden von Ozeanpianisten" (mit Johannes Kersthold, Matthias Klünder)
"Witwe im Wahn: Alma Mahler-Werfel" (mit Autor Oliver Hilmes, Fionnuala McCarthy, Scott Curry)
Geschichten schreiben, Geschichten vortragen: Zehn Jahre lang hat der Tagesspiegel einmal im Jahr seine jungen und erwachsenen Leser zum Erzählwettbewerb aufgerufen. Die Idee dazu hatten Birgitt Claus und ich, zusammen gearbeitet haben wir mit Partnern wie epubli oder der Katrin Rohnstock Erzählakademie, und das Ganze ging so: 300 bis 600 Leserinnen und Leser pro Jahr schickten uns erfundene oder wahre Geschichten zum jeweiligen Thema, eine Jury suchte die besten Texte aus, aber gewinnen konnte nur, wer seinen Text im Halbfinale und im großen Finale vor 300 Zuhörern in den Museen Dahlem auch gekonnt vortrug.
Aus dem Erzählwettbewerb sind mehrere Bücher und Hörbücher entstanden (unter anderem "Das Wunderpapier"und "Wie Europa auf den Geschmack kam"). Besonders viel Spaß hat mir gemacht, die zum Teil sehr originellen Geschichten der Kinder und Jugendlichen zu lesen und hören - und viele Preise an nicht-muttersprachliche Kinder zu verleihen!
Die Schreiblust bei Kindern zu wecken: Das geht am besten, wenn Kinder ihre Texte auch öffentlich machen können, etwa in einer eigenen Zeitung. Das Tagesspiegel-Projekt "Wunderpapier", entstanden aus dem Erzählwettbewerb, haben Irene Hoppe vom LISUM und ich gemeinsam entwickelt: Schulklassen lernen mit eigens erstellten Unterrichtsmaterialien und dem Buch "Das Wunderpapier" Zeitungen kennen, entwerfen dann zu einem vorgegebenen Thema eine eigene Zeitung, reichen ihre Zeitung zum Wettbewerb ein, und die besten Klassen präsentieren ihre Zeitung bei einer großen Preisverleihung im Tagesspiegel-Haus.
Das geht nur, wenn engagierte Lehrerinnen und Lehrer mitmachen - die Zusammenarbeit mi ihnen war für mich sehr bereichernd. Für die Zeitschrift "Grundschulunterricht" (Ausgabe Oktober 2014) habe ich das Projekt zusammengefasst (siehe pdf).
Auch das Debattieren ist für mich eine Form, mit der sich Sprachlust wecken lässt: auf der Bühne, im Widerstreit der Ideen. Im Debattierclub des Tagesspiegels (im Moment inaktiv) trafen sich über mehrere Jahre einmal im Monat Schüler der Oberstufe, um über Themen wie Sterbehilfe oder das Wahlrecht ab 16 zu debattieren - nach dem Vorbild und den Regeln des Wettbewerbs "Jugend debattiert" der Gemeinnützigen Hertie Stiftung. Ihr Redetalent trainieren konnten die Schülerinnen und Schüler in Rhetorik-Seminaren, die die von mir aufgebaute Tagesspiegel-Akademie viele Jahre lang angeboten hat.